Dienstag, 24. Juni 2014


16   Titel: Ecke Alte Schönhauser / Steinstraße, 5.7.1990, (42 x 56 cm)

Rückseitennotiz: Als ich eintraf, sah ich, wie ein kleiner Falke in 4 m Entfernung eine über die Straße laufende Maus von der Straße griff und mit ihr wegflog.
Überall wird Schutt abgekippt: riesige Schuttabladeplätze mitten in der Stadt an den Stellen, wo die Häuser gesprengt wurden. (Hier sollte ein Heizkraftwerk gebaut werden.)

Gerettete Häuser: aber in Parterre sind sämtliche Mauern von Sprenglöchern durchsiebt. Im Anbau noch ein Pferdestall mit Remise. 5. Tag nach der Währungsunion: In der Imbissbude kostet eine Tasse Kaffee jetzt 1,70 DM und schmeckt nach fieser Plörre.






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Montag, 23. Juni 2014



15   Titel: Alte Schönhauser, Scheunenviertel, 29.6.1990, (42 x 56 cm)

Rückseitennotiz: Übermorgen gibt’s die Währungsunion. Was wird mit den Lücken? Wie und wann werden sie durch neue Bauten gefüllt werden? 
Im Schutt und Müll, der auf den Flächen der gesprengten Häuser abgekippt wird, habe ich heute die Werke von Marx, Lenin, Gorki gefunden, alte Aktenordner, rote Fahnentücher und die Tafeln mit „Unseren Besten“. 
Ein ca. 45-jähriger, der mit seinem Fahrrad daher kam und im Scheunenviertel wohnt, hat mir während des Zeichnens über eine Stunde lang erzählt, wie man die Häuser und das Viertel hat verkommen lassen, wie die Häuser gesprengt worden seien, wie man die Menschen entsolidarisiert habe und wie alles immer weiter den Bach runtergehe. Er war sehr pessimistisch.







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Samstag, 21. Juni 2014


14   Titel: Baustelle Neues Museum, 28.6.1990, (42 x 56 cm)

Rückseitennotiz: Ich habe einen Arbeiter gefragt, warum es heute so still auf der Baustelle sei. "Es wird nicht weitergearbeitet, es ist kein Geld mehr da. Vielleicht wird die Arbeit im September wieder aufgenommen. Wir machen jetzt nur noch Reinigungsarbeiten", hat er geantwortet. Ich hab die Zeichnung sehr geschwind gemacht, da es zwischendurch starke Schauer gab.







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Freitag, 20. Juni 2014


13   Titel: Ruine Neues Museum, Museumsinsel 15.6.90, 
(42 x 56 cm)

Rückseitennotiz: „Das Neue Museum“ – das sei die spektakulärste Baustelle Europas: wegen der Grundwasserspiegelabsenkungen durch U-Bahn-Bau, Palazzo Prozzo, Friedrichstadtpalast seien die 18 m langen Kiefernpfähle, auf denen es stehe, mürbe geworden und würden jetzt durch 30 m (!) lange Betonsäulen ersetzt. Die Bauleiter Olschner, Mönch & Schröder haben uns das Zeichnen auf der Baustelle erlaubt und auch eine Besichtigung in Aussicht gestellt. Probleme schon seit den 20er Jahren. Das Neue Museum sollte abgerissen werden. Seit September 1989 gelte jedoch die Aufgabe, es zu erhalten und die Schäden zu beseitigen.
Was ich hier gezeichnet habe, sind gravierende Kriegsschäden. Ein solch wundervolles Gebäude – 






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Donnerstag, 19. Juni 2014


10   Titel: Baustellenpanorama, 7.6.1990
Links die Rückseite des Friedrichstadtpalastes, 
rechts ein Plattenbau an der Friedrichstraße mit  Werbung für das DT (Deutsches Theater) (42 x 56 cm)





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Dienstag, 17. Juni 2014


9   Titel: Ernst-Thälmann-Denkmal an der Greifswalderstraße, 28.5.1990, (42 x 56 cm). Dieses Ding hat ein sowjetischer Künstler namens Lew Jefimowitsch Kerbel erst 1986 geschaffen.

Rückseitennotiz: Als ich hier zeichnete, hat mir kaum jemand über die Schulter gesehen – aber viele Leute haben mich das Denkmal zeichnen sehen. Ich hab mich immer gefragt, welchen Grund mein Zeichnen für sie haben könnte. Einmal kam eine kleine dünne alte Frau und sagte: „Wenn’s wegkommt, haben wir wenigstens ein Erinnerungsbild“. Ob sie glaube, dass es abgebaut und abtransportiert werde, hab ich sie gefragt. Da ist sie ohne ein weiters Wort ganz schnell weggegangen. Sonst waren nur ein paar Kinder da, die auf der zum Denkmal gehörenden Fläche Rad fuhren.
Abends erfahre ich vom Kollegen Prof. Diethart Kerbs, dass hier noch bis vor 5 Jahren eine Gasanstalt stand, ein industrielles Denkmal ohnegleichen – und dass es dieser absoluten Scheußlichkeit zur 750-Jahr-Feier 1987 Berlins weichen musste. (So entdecke ich auf meine Weise Berlin.) Und warum hab ich’s nun gezeichnet? Das hohle Denkmal? Ich glaube, weil mir das Pathos so exotisch, so fremd, so komisch, so beängstugend erschien.

Montag, 16. Juni 2014


8   Titel: Restruine oder „Tacheles-Körper“, 1.6.1990, (42 x 56 cm)






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Samstag, 14. Juni 2014


7   Titel: Die besetzte Restruine der ehemaligen Friedrichstraßen-Passage (oder später "Haus der Technik"), 22.5.1990, (42 x 56 cm)

Rückseitennotiz: Auf einem Transparent steht: „ja, ja, Freiheit, MACHT ARBEIT“. Ein Bauarbeiter zu mir: „Was schade?! Da gehört eine Bombe drauf – Ihr im Westen wisst wohl alles besser!“ Ehemals 1907/1909 Friedrichstraßen-Passage (Konkurrenz zu den Kaufhäusern), ein toller Bau mit Kuppel – dessen kriegszerstörte Ruine 1977/78 gesprengt und abgerissen wurde.
Die Restruine "des ersten Stahlbetonbaus auf dem europäischen Festland" soll in ein paar Tagen – am 30.5.1990 gesprengt werden. Die Besetzer haben ein Bau-Gutachten verfassen lassen und wollen das Bauwerk erhalten und restaurieren und ein Kunst- + Kulturzentrum darin einrichten.
Es soll "Tacheles" heißen. (Abends setzt Prof. Diethart Kerbs noch einen Protestbrief gegen den Abriss auf, den wir per Post an den Berliner Magistrat senden.)






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Freitag, 13. Juni 2014


6   Titel: Joachimstraße. Die neue Turnhalle, der zwei schöne alte Häuser weichen mussten, 18.5.1990, (42 x 56 cm)

Rückseitennotiz: Das sieht aus, als hätten die Außerplanetarischen einen Schuhkarton mit Schlitzen vom All aus ins Scheunenviertel geschissen. In dem Haus ganz links wohnt in Parterre Frau Ehm, eine 78-jährige, der es zu verdanken ist, dass dieses Haus nicht abgerissen wurde, da sie sich wehrte (sehr engagiert für die „Volkssolidarität“ – ich weiß nicht, was das ist – vielleicht eine Art Altersversicherung). Später habe ich Reinhard Miottke (Motte), Mitglied des „Runden Tisches“ kennengelernt. Als er hört, dass meine Frau und ich Kölner Bürgerinitiativler waren, wünscht er, dass wir zum Kiezfest in der Mulackstr. kommen und einen Vortrag über die Veränderung unseres Viertels in Köln halten. Frau Ehm: „für die Sporthalle ist ein wunderschönes altes Haus abgerissen worden, der Sprengmeister selbst hat es nicht mit ansehen können – und hat sich umgedreht, als das Haus gesprengt wurde.
Information aus dem Internet: Reinhard Miottke war Gründer der „Bürgerinitiative Spandauer Vorstadt“. 2. Oktober 1989
Unter            http://www.baedicker.de/DieAlteMitte/DieAlteMitte/Vorstadtsalat/Vorstadtsalat.pdf kann man Fotos der Zustände von damals sehen, auch einige meiner Motive als Fotos.







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Donnerstag, 12. Juni 2014


5   Titel: Situation in der Auguststraße, (42 x 56 cm)





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Mittwoch, 11. Juni 2014


4   Titel: Große Hamburger 21, 17.5.1990, (42 x 56 cm)

Rückseitennotiz: Gezeichnet vom alten jüdischen Friedhof aus. Viele touristische Gruppen kommen an das Denkmal, das dort steht. Was die Stehenbleibenden erzählen: – ein netter grauhaarig Gleichaltriger findet die gesamten Lebensverhältnisse in der BRD perfekt, früher sei’s in der DDR gemütlicher gewesen, wenn auch die Verhältnisse fürchterlich gewesen seien – eine alte Frau umarmt mich während des Erzählens mit einem Arm und erzählt mir, im vorigen Jahr seien die jungen Musiker, die dort gewohnt hätten und niemanden gestört hätten von der Polizei geräumt worden. Auch ein Maler habe dort unten gewohnt. – Eine andere alte Frau sagt: jeder Grashalm vor dem jüdischen Denkmal bedeute einen Menschen. – Ein Mensch aus der „ständigen Vertretung der BRD, dessen Eltern auch „vom Fach“ sind – der Vater mache Radierungen – findet diese Zeichnung sehr gut, wünscht mir viel Erfolg für mein Projekt und meint, man werde es sicher einmal in einer Ausstellung sehen können. – Das Auto stand vorige Woche noch richtig herum, gestern Abend seien junge Leute dagewesen, hätten es umgekippt, um etwas abzumontieren, erzählt eine dritte alte Frau.



Klick auf die Zeichnung, um sie zu vergrößern.

Dienstag, 10. Juni 2014


3   Titel: Unter der S-Bahn-Brücke hinter dem Marx-Engels-Platz, 11.5.90, (42 x 56 cm)

Rückseitennotiz: Ich glaube nicht, dass ich jemals anstrengendere Bedingungen beim Zeichnen hatte als diesmal: alle paar Minuten ratterte eine S-Bahn – rattatatamm – über den Kopf hin – alle paar Minuten quietschten ein oder zwei Straßenbahnen um die Kurve oder knatterten die Trabbis um mich herum – so dass die seltenen Augenblicke ohne Geräusche ganz erstaunliche Erlebnisse waren.




klick auf die Zeichnung, um sie größer zu sehen!

Montag, 9. Juni 2014


2    Titel: Potsdamer Platz    Das Esplanade mit Hochbahn, 4.5.1990, (42 x 56 cm)

Rückseitennotiz: Die Hochbahn wird verschwinden. Das Stück darunter will Daimler-Benz kaufen – 1500 DM pro m2 – während der Chef des Verbandes der Makler Alexander Rainoff den Wert pro qm auf mindestens 8000 DM taxiert, in einzelnen Fällen auch bis auf 10-15000 DM. Das „Filetstück“ – so heißt das Ding. 17.5.90




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Sonntag, 8. Juni 2014


 1   Titel:     Synagoge Oranienburger Str., 3.5.1990, (42 x 56 cm)

Rückseitennotiz: Während des Zeichnens hat sich mir der „Baustellenleiter der Rekonstruktion“ vorgestellt. U. a. erzählt er, dass Bergsteiger zunächst da oben raufgeklettert seien, um das Gemäuer zu prüfen. Ganz viele Bäume und Pflanzen hätten sie ausgerissen, abgeschnitten. Die Fassade wird wieder geschlossen, dort soll ein Lesesaal der jüdischen Gemeinde und ähnliches entstehen. Text vorne auf der Zeichnung: Diese Ruine ist genau so alt wie ich – im November 1938 von den Nazis angezündet, 1943 durch Bomben zerstört, jetzt im Wiederaufbau.





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Die Zeichnungen sind mit Feder und Pinsel, Sepia- und/oder Bister-Tusche über Bleistiftskizze – meistens noch abschließend mit ein wenig Farbstift – auf Ingres-Papier im Format 42 x 56 cm gezeichnet.
Alle Zeichnungen wurden vor Ort fertig gezeichnet – wie auch die Notizen zu den Zeichnungen vor Ort auf die Rückseiten geschrieben wurden.

Alle Zeichnungen entstanden im Rahmen meiner Lehrveranstaltungen zur künstlerischen Praxis Zeichnen/Malen in der Ausbildung von Lehramtsstudierenden der Sekundarstufe I an der HdK/UdK Berlin. 

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Postkarte zur Einladung, Bildseite

Bildseite: Collage; Zeichnung: Neues Museum (Ausschnitt), Foto: Dreidoppel, das Lenin-Denkmal kurz vor seinem Abriss zeichnend (Ausschnitt), 26.10.1991



Postkarte zur Einladung, Textseite


Einladung zur Ausstellung

Heinrich Dreidoppel

Stadtzeichnungen
Berlin Mitte – 1990/91 und 1994/97

vom 17.10. bis 9.12.2013

Vernissage: Donnerstag 17.10.2013, 19 Uhr

Begrüßung Prof. Fritz Weigle

Saal der Friedenauer
Kammerkonzerte
Isoldestr. 9 in Berlin-Friedenau






Es folgen Berliner Stadtzeichnungen.

(hier leider keine Scans, sondern nur Fotos)







318     17.10.97                   Collage mit Ausstellungseinladung von Barbara Weil




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317     20.  9.97                   Collage mit Ausstellungseinladung von Susanne Paesler






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316     19.  9.97                   Collage mit Ausstellungseinladung von Britta Clausnitzer





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Samstag, 7. Juni 2014


315     18.9.97                   Collage mit Ausstellungseinladungen von A. Gödde u. C. Gesing





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Donnerstag, 5. Juni 2014


314     11.  3.97 FR   Die Bioindikatoren




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312     11.  3.97 Tsp  Mandelbäume und Tiefausläufer




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311     10.  3.97 Tsp  Frühling im Lokalteil




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